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Schon lange, bevor der Wecker sich meldet, bin ich wach. Ich bleibe noch lie­gen und lasse die Gedanken schweifen. In al­ler Ruhe mache ich mich fertig. Heute kommt sogar Sonnencreme ins Gesicht, das erste Mal auf diesem Cami­no. Gestern habe ich eine große Mutter auf der Straße liegen se­hen. Eine schö­ne Erinnerung an meinen Vater, der sol­che Dinge immer auf­gehoben und in sei­ner Werkstatt sor­tiert hat. Ich habe sie im Geden­ken an ihn aufgehoben und hier­her getragen. Nach ei­nem Erinne­rungsfoto darf sie nun in den Papier­korb. Ges­tern Vor­mittag haben Ka­trin und ich dar­über gesprochen, was wir sam­meln. Sie sammelt Münzen. Als ich sagte, ich sammelte nichts, ja, ich hät­te so­gar die Briefmarken­sammlung mei­nes Va­ters nach Bethel ge­schickt , antwortet­e sie: „Du sammelst Ge­schichten.“ Die Mut­ter steht für so eine, doch ich brauche sie nicht als Beweisstück weiter­zutragen. Hier ist sie gut aufge­hoben. Mir fallen viele Geschich­ten ein, die ich mit mei­nem Vater in der Kindheit er­lebt habe.

Doch jetzt ist erst einmal Zeit zum Aufbruch und der Weg des Tages liegt vor mir. Zu­nächst geht es schön durch Wald und Feld. Ich laufe lang­sam mit Martina, einer Theaterpädagog­in aus Nürn­berg, die sich eine Auszeit von einem Jahr genommen hat. Es taucht eine andere Pilge­rin auf, Marti­na ge­sellt sich zu die­ser und ich ziehe allein in mei­nem Rhyth­mus weiter. Die Abkür­zung von 7,5 Kilo­metern über eine verbote­ne Ei­sen­bahn­brü­cke neh­me ich nicht. Ich treffe das hol­ländische Ehe­paar, das ich aus Irun und Güe­mes kenne. Ein paar Worte, dann zieht jeder seines Weges. Um 14:15 Uhr mache ich meine erste Pause bei ei­nem Café con leche. Die Bar ist voll. Meist steht Wein vor den Her­ren. Auf dem langen Weg entlang einer Pi­peline ist mir alles Mögliche durch den Kopf gegan­gen. Doch das ist mit dem Schritt in die kleine Bar wie weg­gewischt. Wieder ist ein Stück Ver­gangenheit verarbei­tet.

Nach einer Vier­telstunde Pause ziehe ich erfrischt wei­ter. Es sind heute für mich noch ca. zwei Stun­den, ich bin erst 23,8 Kilometer unterwegs. Als ich um 16:30 Uhr in Santillana del Mar an­komme, laufe ich Ka­trin in die Arme. Sie in­formiert mich über die Her­bergslage: Die einzige am Ort ist voll, doch am Campingplatz sollen auch noch Über­nachtungsmöglichkeiten für Pilger sein. Also gehe ich ein bisschen aus der Stadt hin­aus und gönne mir notgedrungen - aber Gott sei Dank - ein schönes Hotel. Nach dem Pflichtprogramm drehe ich zwei Runden durch die Stadt. Als ich mich gerade auf einer Bank niederlassen möchte, winkt mir quer über den Platz Katrin zu. Auf dem Camino verabredet man sich nicht. Man trifft sich ein­fach so. Für die Lieben daheim fülle ich mei­nen Postkartenvorrat auf. Briefmar­ken habe ich heute früh schon erstanden. Zwei Karten an die Heimat schreibe ich bei einem Café con leche und finde auch einen Briefkasten.

Zum Abendes­sen mit Katrin leiste ich mir einen großen Salat. Obwohl sie perfekt spanisch spricht, überlässt sie mir die Bestellung. Ihre Bemerkung „Du kommst schon durch“ werte ich als Kompliment. Dann ist wieder Ab­schied an­gesagt. Doch der Camino ist noch lang. Aber sich einmal zu umar­men, schadet nicht. In meiner Pension angekommen, steht der Schrittzahlmes­ser auf 36,1 Kilometern. Die morgige Etap­pe wird 34,5 Kilometer lang. Vielleicht unterteile ich sie.

 

Eine kleine Glock an einer kleinen Kapelle am Wegesrand auf der Etappe Santa Cruz de Bezana → Santillana del Mar

Eine kleine Glock an einer kleinen Kapelle am Wegesrand auf der Etappe  Santa Cruz de Bezana → Santillana del Mar

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